Samstag, 17. September 2005

Viele gute Gründe, FDP zu wählen

Ich hätte selbst einen Text verfassen können, aber auch aus Bequemlichkeitsgründen mache ich doch lieber mal eine kleine Presseschau:

„Die FDP zieht programmatisch gut gerüstet in den Wahlkampf …“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, am 27. Mai 2005

„Auf die forschungsfreundliche Handschrift der FDP in einem Koalitionsvertrag ist … zu hoffen.“ Die Welt, am 5. Juni 2005

„Deutschland sähe anders aus, schlanker und freier, würde Gesetz, was die FDP fordert … Für den weitgesteckten Horizont ihres Programms verdient die FDP Respekt …“ Die Welt, am 26. Juni 2005

„Die FDP kann als Mahner und Ideenlieferant eine konstruktive Rolle spielen. Nichts ist dagegen von einer Großen Koalition zu erwarten.“ Die Welt, am 12. Juli 2005

„Information statt Emotion. Die FDP ist in ihrem rund 80 Seiten umfassenden Wahlprogramm sichtlich bemüht, den Bürger mit ausführlich vorgetragenen Argumenten statt nur mit Schlagworten zu überzeugen. … Das steht einer Partei gut zu Gesicht, die den Deutschen mehr Freiheit und damit mehr Verantwortung für ihr persönliches Schicksal, ihr Fortkommen, aber auch ihre Absicherung zumuten will.“ Kölner Stadt Anzeiger, vom 26. Juli 2005

„Die FDP will einen Neuanfang statt Halbherzigkeiten“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, am 26. Juli 2005

„… die FDP steht plötzlich als die wahre Wahlalternative in der Parteienlandschaft da. Die Liberalen von Westerwelle und Gerhardt bleiben sich treu. Als die letzten echten Reformer in der Republik.“ Leipziger Volkszeitung, vom 26. Juli 2005

„Das freidemokratische Mantra, daß es ohne die FDP keine richtige Reformpolitik geben werde, ist von der leicht großmäuligen Behauptung zur Tatsache geworden.“ Der Tagesspiegel, vom 26. Juli 2005

„Der Deutsche Kulturrat begrüßt, daß die FDP so dezidiert und eingehend zur Kulturpolitik des Bundes Position bezieht. Im Vergleich zu den anderen Parteien erläutert sie am ausführlichsten ihre kulturpolitischen Vorhaben und ordnet die Kulturpolitik in die Gesellschaftspolitik ein. Die FDP formuliert unmißverständlich…“ Pressemitteilung des Deutschen Kulturrats, vom 26.Juli 2005

„Die FDP ist die erfolgreichste Partei Deutschlands. Denn sie ist die einzige Partei, die von der Geschichte voll und Ganz Recht bekommen hat, außerdem die einzige Partei, die ihre Grundideen niemals abschwächen mußte.“ Tagesspiegel, vom 21. August 2005

„Die Staatsausgaben sollen gesenkt werden, die Sozialsysteme sind einfach nicht finanzierbar, Arbeit ist zu teuer, das Land ist zu bürokratisch, zu verkrustet, zu langsam – kommt ihnen dieses Lied bekannt vor? Natürlich… Alle Parteien reden so. Aber die FDP hat schon immer so geredet. Die anderen Parteien haben kapiert, daß die FDP Recht hatte. Wählt nicht die Kopie. Wählt das Original!“ Tagesspiegel, vom 21. August 2005

„Für diese Kombination (wirtschaftspolitischer und gesellschaftlicher Liberalismus) steht aber nur die FDP. Denn für die FDP ist … Freiheit keine Methode, die man mal eben anwendet um die Arbeitslosigkeit zu senken. Für die FDP ist Freiheit ein Prinzip.“ Tagesspiegel, vom 21. August 2005

Freitag, 16. September 2005

Eichels Volksverdummungsversuche

Nicht doch! Niemand hat die Absicht, eine Streichliste zu präsentieren! Zumindest niemand aus der Regierung und nicht vor Sonntag, 18 Uhr. Bis dahin gibts rot-grüne Wohltaten pur! Oswald Metzger, der bekannte unabhängige Denker bei den Grünen, wundert sich über die "Volksverdummung" , wie sie vom Bundesfinanzminister, einem gewissen Lehrer aus Kassel, betrieben wird. Recht hat er da, der Herr Metzger! Bundesfinanzminister Hans Eichel: Vor Wahlen schweigsam wie eine Schweizer Bank

Man fühlt sich an 2002 erinnert, wenige Tage nach dem Wahlgang, der mit dem rot-grünen Überraschungssieg einherging, folgte die nächste Überraschung und die Katerstimmung in der Republik. Die Wählerinnen und Wähler mögen es diesmal verhindern!

UNO-Reform: Deutschlands Beitrag zum Scheitern

Das war ja wohl nichts oder zumindest nicht viel mit der UNO-Reform! Das Scheitern des Großvorhabens des Kofi Annan hat viele Ursachen und viele Schuldige. Auch die Bundesregierung hat ihren Teil zum Scheitern beigetragen, indem sie sich in die blöde Idee mit dem ständigen deutschen Sitz im Sicherheitsrat verrannte und am Ende erwartungsgemäß nichts erreichte und dabei andere Projekte vernachlässigte. Das sieht z. B. auch Jens Martens vom Global Policy Forum so. Fischer und Schröder haben es echt verbockt!

Samstag, 10. September 2005

Studie: Rot-grüne Energiepolitik kostet Arbeitsplätze

Viele Leute glauben, die Förderung der erneuerbaren Energien nach rot-grüner Art sei ein Beitrag zur Besserung am Arbeitsmarkt.

Die Wahrheit ist: Volkswirtschaftlich ist die Arbeitsplatzbilanz der erneuerbaren Energien NEGATIV, insbesondere durch ineffiziente Steuerungs- und quasi-Subventions-Mechanismen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Dies belegt eine Studie, die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt wurde. Diese Gewerkschaftsstiftung dürfte nicht in Verdacht stehen, prinzipielle Probleme mit Rot-Grün zu haben.

http://www.bei.uni-bremen.de/download/gutacht_0144.pdf

Aus der Zusammenfasssung:

Die erneuerbaren Energien bzw. die zu ihrer Nutzung entwickelten Technologien tragen das Image, Arbeitsplätze im großen Umfang zu schaffen bzw. zu sichern. Unsere Untersuchungsergebnisse stellen dieses Image in Frage. (...) Solange die Einspeisevergütung für EE weit über dem energiewirtschaftlichen Wert des Stroms liegt, kommt es auf dem Arbeitsmarkt zu negativen Budgeteffekten, die die positiven direkten Beschäftigungseffekte schwächen, oder sogar ins Gegenteil verkehren. Das aktuelle Niveau der Einspeisevergütung führt dabei zu solch hohen Budgeteffekten, dass die Gesamtbeschäftigungseffekte von etlichen EE-Technologien (Wind, Photovoltaik, Biogas, große Wasserkraft, kleine und große Geothermie) negativ ausfallen.

Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht.

Mittwoch, 7. September 2005

Das deutsche Pfeifen im globalen Walde

Wie gut, dass wir in Deutschland leben! Wie schön, dass wir einen funktionierenden Staat haben, der zuverlässig jede Krise meistert und Schaden vom Volk abzuwenden versteht. Unsere Überlegenheit zeigt sich erneut an der stümperhaften Katastrophenhilfe in den USA und den chaotischen Zuständen. Alt-Europäer haben einfach das überlegene Gesellschaftsmodell: Katastrophen führen in den USA zu Anarchie, die Europäer aber fassen sich an den Händen, singen Lieder der Solidarität und bringen schnell wieder alles in Ordnung. Wer käme denn da auf die Idee zu plündern oder seinen Mitbürgern anderweitig Schaden zuzufügen? Selbstverständlich werden bei den Deutschen nur die edelsten Gefühle auftreten!

Und unser glorreicher Kanzler hat neulich im TV-Duell den Zeigefinger erhoben und angedeutet, dass es in Deutschland aber doch auch so kommen könnte, wenn "die Anderen" regieren, wie er immer sagt. Die typisch deutsche Freundlichkeit und Mitmenschlichkeit, die seit Jahrhunderten bekannt ist, hat es ihm natürlich verboten, das allzu explizit zu sagen.

Natürlich liefe auch dann alles wie geschmiert, wenn eine Fläche von der Größe Großbritanniens Katastrophengebiet wäre, wie es in den USA derzeit der Fall ist. Klar, kein Ding! Chirac und Schröder sowie sämtliche denkbaren Nachfolger nebst ihrer Krisenstäbe wissen, was zu tun ist. Und es ist ja nicht so, dass wir die Amerikaner nicht gewarnt hätten. War es bereits ein ziemliches Ärgernis, dass die Deutschen keine Wahlzettel für die US-Präsidentschaftswahl zugeschickt bekamen, ist es nun wirklich unerträglich, dass der Retter der Welt, Jürgen Trittin, kein Gehör in den USA fand.

Anrührende Beispiele für die Stärke Deutschlands geben uns wackere Typen wie Karsten Voigt (SPD), Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Auswärtigen Amt. Der hat schon freiwillig geholfen, als Hamburg in den 60ern mal unter Wasser stand und siehe da: Deutschland hat diese Krise schnell gemeistert. War ja auch fast so schlimm wie Katrina, halt nur ein wenig kleiner - ein ganz kleines bißchen! Aber das war ja auch fair vom lieben Gott (Hey, WIR sind Papst und das wusste der Allmächtige natürlich schon vorher!), Deutschland ist schließlich auch nicht so groß wie die USA.

Münteferings umfassendes Friedensverständnis

Schaue gerade ein wenig Bundestagsdebatte. Da hat der hochgeschätzte Herr Müntefering wieder mal auf das aus einer Sicht historische Verdienst der SPD hingewiesen, dass sie stets für den Frieden eingetreten sei. Standardmäßig wird an solchen Stellen zunächst (richtigerweise) das Jahr 1933 genannt, dann natürlich der Irak-Krieg. Seltsamerweise wird immer wieder das Jahr 1914 unterschlagen. Wie war das noch gleich mit den Kriegskrediten? Naja, man nannte das ja auch "Burgfriedenspolitik". Also auch eine Art Friedenspolitik. Und als Gegenleistung für Wahlrechtsreformen und Stärkung der Gewerkschaften mag die Zustimmung der SPD zum Ersten Weltkrieg durchaus rational gewesen sein.

In der Schule habe ich darüber übrigens nichts gelernt, hätte ich nicht auch nach dem Abi noch mal ein Buch in die Hand genommen, wüsste ich das heute noch nicht. Ich hoffe daher, mit diesem Beitrag den allgemeinen Bildungsstand zu heben.

Sonntag, 4. September 2005

Alternative zum Glotzen-Duell

Ich würde gerne das heutige TV-Duell zwischen Merkel und Schröder boykottieren, doch leider ist es durch die Eigendynamik der Mediendemokratie zu wichtig, als dass man es ignorieren könnte. Wem das Spektakel im Fernsehen zu blöd ist, der kann ja mal versuchen, es mir gleich zu tun und bei der politischen Meinungsbildung gegen den Strom zu schwimmen. Mir kam vorhin die Idee, dass ich doch einfach mal Bücher der Spitzenkandidaten der wichtigsten Parteien raussuchen könnte. Ich hätte mich aus Bequemlichkeitsgründen auch auf Merkel und Schröder beschränken können, aber Politik ist halt kein bequemes Thema und zum Glück haben wir noch andere Wahlmöglichkeiten als Rot und Schwarz, ganz abgesehen davon, dass wir Parteien und nicht Kanzlerkandidaten und –kandidatinnen wählen.

Ich habe zunächst mal Bücher von Schröder und Merkel gesucht. Ich fand viele Bücher ÜBER die beiden. Da sind zunächst mal die unvermeidlichen Speichelleckereien wie „Gerhard Schröder – Eine Biographie“ aus der Feder von Bela Anda, dem heutigen Regierungssprecher. Da kann man auch gleich des Kanzlers Proktologen fragen! In „Mein Weg“, einer Merkel-Biographie in Interviewform von Hugo-Müller Vogg, dem bekannten konservativen Journalisten, dürfte eine ähnliche Problematik vorliegen. Eine bessere, weil distanziertere Biographie von Angela Merkel ist offenbar Evelyn Roll mit „Die Erste“ gelungen. Hierbei handelt es sich um eine um zwei aktuelle Kapitel ergänzte Version von „Das Mädchen und die Macht“. In dem Vorgängerwerk von 2002 sah Roll die CDU-Vorsitzende übrigens noch auf dem absteigenden Ast.

Zwischendurch eine kleine Anekdote: bei der Suche nach Schröder-Büchern über die Amazon-Suchfunktion wurde mir u. a. die CD „Music for Medidation Vol. 3. (Wind)“ angezeigt. Wem dazu irgendwas einfällt, möge sich melden!

Doch sind Biographien natürlich nicht alles. Es mag nicht uninteressant sein, den Hintergrund von Politikern zu kennen, um deren Denkweise und entsprechend ihr Handeln etwas besser nachvollziehen zu können. Noch schöner ist es freilich, wenn man ein politisches Programm in Buchform vorgelegt bekommt, sei es ein klar definierter Rahmen normativer Kriterien für das politische Handeln der jeweiligen Person oder ein konkreter Maßnahmenkatalog für eine Legislaturperiode (und gerne auch darüber hinaus). Leider ist diese Form der politischen Meinungsbildung wohl nicht so sehr im Trend, „mit BILD-Zeitung und Glotze“ (Gerhard Schröder) sitzen die Damen und Herren Politiker am längeren Hebel, zumindest dann, wenn sie ihn packen können. Entsprechend schwierig ist es auch, Buchempfehlungen nach obigen Kriterien auszusprechen. Ich versuche es mal:

Gerhard Schröder:
Houston, wir haben ein Problem! Außer Regierungserklärungen und dem ein oder anderen Artikel aus der SPD-Zeitung „Vorwärts“ finde ich da nichts. Ich habe also ein Problem der Kategorie „Da muss ich mal den Sozi fragen“. Also frage ich den Pottblogger, den ich wohl nicht zwangsoute, wenn ich sage, dass er als Angehöriger dieser obskuren der „neuen Mitte“ (ich gehe mal davon aus, dass der ein oder andere diesen hippen Begriff noch im Gedächtnis hat) und Schröderianer mir hier aus der Klemme helfen könnte.


Angela Merkel:
Physik ist sicher interessant, das zeigt sich an den Namen entsprechender Fachpublikationen wie Angela Merkels „Nonempirical parameter estimate for the statistical adiabatic theory of unimolecular fragmentation carbon-hydrogen bond breaking in methyl“, jedoch wollen wir uns auf die Politik beschränken, wobei „bond breaking“ in diesem Bereich ja auch nicht immer schlecht ist. Bei Amazon habe ich ein Werk gefunden, das Angela Merkel 1997 als Bundesumweltministerin verfasst hat. Es trägt den Titel „Der Preis des Überlebens“ und beschäftigt sich offenbar vorwiegend mit Umweltpolitik und deren Einbettung in ein gesamtpolitisches Konzept. Leider scheint es, als hätte ich gerade das letzte Restexemplar noch erwischt. Wenn ich es zeitig zugeschickt bekommen sollte, schaffe ich es vielleicht noch vor der BTW eine Rezension zu liefern. Freilich ist das Buch acht Jahre alt und es fehlen so zwangsläufig manche aktuellen Bezüge, andererseits sind die meisten heutigen Umweltthemen auch schon damals lange in der Debatte gewesen. Ich bin auf jeden Fall gespannt.

An dieser Stelle breche ich diesen Beitrag ab, da ich irgendwie fürchte, dass das zu wenig führt. :-(
Gerade beginnt die Vorberichterstattung zum TV-Duell. Erstes Thema: Merkels nichtvorhandener orangener Blazer und Schröders gestreifte Krawatte. *nerv*

Freitag, 12. August 2005

Rezension: "Was zur Wahl steht" von Ulrich Beck

Keine Angst vor großen Namen! Das ist die wichtigste Erfahrung, die ich aus der Lektüre dieses Buches mitnehme. Hier schreibt ein über die Grenzen der wissenschaftlichen Gemeinde hinaus bekannter Soziologe. Was bietet er dem Leser?beck_wahl2

Wer glaubt, in diesem Buch eine Analyse der Wahlprogramme vorzufinden, die die Entscheidung bei der vermutlich bald anstehenden Bundestagswahl erleichtert, wird enttäuscht. Beck hat einen klaren Standpunkt und macht daraus keinen Hehl. Die FDP wird gleich im Vorwort in den ersten Sätzen polemisch abgewatscht („Für Drei Prozent“) und dann auf den restlichen ca. 120 Seiten schlicht ignoriert, Angela Merkel bezeichnet er fast durchgängig als „Maggie Merkel“, ein- oder zweimal seltsamerweise als „Angelika“. Die Kritik an Rot-Grün hingegen übt er durchaus gelassen und sachlich, lobt die Regierung aber auch und fordert einen neuen sozialdemokratischen Politikentwurf. So viel zur Einordnung des Autors.

Aber schauen wir mal die Inhalte genauer an. Im ersten Teil des Buches versucht Beck eine Analyse der gegenwärtigen Lage. Erfreulich sind dabei die aktuellen Bezüge wie z. B. zum Scheitern der EU-Verfassung sowie Becks Appell an die Änderungsbereitschaft der Deutschen. Freilich hat seine Analyse ihre Tücken.

Er schreibt, es habe einen Domino-Effekt in guten Zeiten gegeben (Vollbeschäftigung, sichere Renten, sprudelnde Steuereinnahmen, Investitionsspielräume, die nach seiner Auffassung Vollbeschäftigung garantieren und so die Renten auch wieder sicher machen) der nun ins Gegenteil verdreht sei, womit der Weg in die von ihm vielbeschworene Risikogesellschaft geebnet wäre. Verantwortlich für die Misere macht Beck u. a. die Großkonzerne. Deren Zwangsmittel sei nicht der drohende Einmarsch (wie es Staaten mit ihren Armeen tun), sondern der drohende Nicht-Einmarsch oder ihr drohender Ausmarsch. Nach Jahrtausenden des Mordens klingt diese Art der Politik eigentlich sympathisch, doch Beck kritisiert dies als Erpressungspotenzial der Konzerne. Diese hätten die Möglichkeit, stets „nein“ zu sagen und zwar ohne öffentliche Begründungspflicht. Freilich unterschlägt er hier, dass Staat und Politik in Deutschland jahrzehntelang leidenschaftlich „ja“ sagten, wenn es um Investitionen ging. Die absehbaren Folgen wurden den Bürgern gegenüber verschwiegen. Das Ergebnis ist, dass heute manch einer im Wahlkampf zwar gerne wieder „ja“ sagt, nach der Wahl aber verkündet, fortan nur noch „nein“ sagen zu können – zum Schaden des Vertrauens in die Demokratie! Diesen Vertrauensverlust der Wirtschaft anzukreiden, ist zu kurz gegriffen. Dabei sei erwähnt, dass Beck ohnehin nur die Großkonzerne in seinem Blickfeld hat, die kleinen und mittelständischen Betriebe spielen in seinen Ausführungen seltsamerweise keine Rolle.

Nicht ganz ohne Recht hält Beck den Lesern das Zukunftsbild einer „Gesellschaft des Weniger“ im gleichnamigen Kapitel vor Augen, erwähnt jedoch nicht, dass die Menschen anderswo diese Erfahrungen längst gemacht haben und dennoch nicht untergegangen sind. Er geißelt den Begriff der „Eigenverantwortung“ als „freiwillige Selbstamputation“, da man lediglich frei in der Wahl der Selbstbeschneidung gemacht werde. Umso mehr wundert er sich, dass kein kollektiver Aufschrei erfolge. Eine Ursache sieht er darin, dass die meisten Leute (nach seiner Ansicht fälschlicherweise!) glaubten, ihre Probleme lösen zu können und nicht abzustürzen.

Tja, nichts ist so schlimm für einen Cassandrarufer, als wenn ihm unverzagte Menschen in die Parade fahren! Mitunter stört mich an diesem Kapitel, dass Beck fast so tut, als habe es früher keine Knappheit gegeben, als hätten die bösen Neoliberalen ein Schlaraffenland zerstört. Dass der Sozialstaat diese Knappheiten durch seine frühere Großzügigkeit einfach nur kaschiert haben könnte, scheint Beck keinen Gedanken wert. Freilich hat er Recht, dass das Ende der Verheißungen den Ruf nach einem neuen Autoritarismus laut werden lassen könnte und man sich dieser Gefahr entgegenstellen muss. In Hinblick auf diese Gefahr kritisiert er auch die neue Linkspartei um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi mit ihrem „linksnationalen Sozialstaats-Protektionismus“.
Dann wiederum findet sich eine erstaunliche Erkenntnis in Becks Aufsatz: Konsumenten haben eine große Macht über die Konzerne und verstehen laut Beck immer besser, diese einzusetzen und die Unternehmen damit unter Druck zu bringen. Ist der Markt gar demokratisch?

Teil II mit dem Titel „Was tun?“ beginnt verheißungsvoll mit dem Plädoyer für eine neue Aufklärung, in der die Menschen sich vergegenwärtigen, dass nicht die Globalisierung, sondern das Unverständnis für sie das Problem ist. Politik müsse an den Ursachen ansetzen, anstatt die Symptome zu bekämpfen. Dies habe Rot-Grün nur ungenügend beherzigt. Gemeinsame Lösungen müssten nun auf europäischer Ebene gefunden werden. An dieser Stelle lobt Beck trotz seiner offenkundigen Abneigungen gegen die Christdemokraten Helmut Kohl, der es verstanden habe, die Dinge durch die europäische Brille zu betrachten. Gerhard Schröder hingegen spiele ein gefährliches Doppelspiel: der derzeitige Bundeskanzler mache Europa zum Buhmann für den Niedergang Deutschlands, obgleich er selbst an den EU-Gesetzen mitgeschrieben habe. So weit, so gut.

Leider hebt Beck den von ihm geforderten „kosmopolitischen Blick“ derart in den Olymp der Heilslehren, dass jegliche nationale Politik überflüssig erscheint. Ein Regierung unter Merkel würde sich Beck zufolge aber hauptsächlich auf nationale Politik konzentrieren. Die Ausblendung der FDP (die er ja schon mit drei Worten im Vorwort abgehandelt hat) wirkt da fast wie ein Kunstgriff, mit dem Beck seiner Warnung vor der Renationalisierung im Falle eines Regierungswechsels wenigstens etwas mehr Plausibilität verleihen will. Diesen Vorwurf gegenüber Angela Merkel wiederholt er mehrmals, ohne ihn glaubhaft mit Fakten zu unterfüttern. Gleiches gilt für seine These, eine Regierung Merkel würde das Scheitern von Rot-Grün noch toppen.

Kapitel 10 zum Thema Bildung ist ein Lichtblick in dem ansonsten sehr durchwachsenen Buch, hier spricht mir Beck fast aus der Seele, wenn er die in vieler Hinsicht zweifelhaften Reformbemühungen im Hochschulwesen anprangert. Freilich ist aus seiner Sicht wieder einmal der „Neoliberalismus“ schuldig an der Misere, was Beck wiederum nicht davon abhält, Studiengebühren für gerecht zu halten. Wie neoliberal! Dieses Kapitel zeigt zwar recht schön einige zentrale Probleme in der aktuellen Hochschul- und Bildungspolitik auf, die vielen Bürgern nicht bewusst sind, allerdings ist der Aufruf Becks zu einem „demokratischen Nein“ bei der anstehenden Wahl zu diesem Thema wenig hilfreich, sind doch praktisch alle Parteien gleichermaßen in die Hochschulreformen momentaner Ausprägung involviert (z. B. ist das lange Jahre rot-grün regierte NRW fast eben so lang das Musterland der technokratischen Hochschulreform von oben).

„Was zur Wahl steht“ ist ein mit heißer Nadel gestricktes, fehlerbehaftetes Pamphlet aus der Feder eines wütenden Soziologen. Zusammenfassend scheint seine dürftig untermauerte Empfehlung zu lauten: Rot-Grün ist gescheitert, aber wählt sie trotzdem wieder, eine Besserung der Lage wäre ohnehin nur reiner Zufall.

Egal, welcher Coleur man gewohnheitsmäßig zuneigt, mit diesem Rat sollte man sich nicht zufrieden geben.

Freitag, 8. Juli 2005

London

london_busAnd all the time everything was moving away
like a slo-mo shot as the camera pulls across the crowd
across the faces caught in the last few seconds of life
And you - like a ghost at the feast
your eyes so small and dark and dead - you were uninvited
And me - trying to remember how nobody saw you
sitting next to me on the bus as it turned into Mainstreet
and the bomb in the bag at your feet
What was it you were trying to say
Tell me what was it you were trying to say
Flying through the smoke in a deafening roar
Screaming in the panic as the whirlwind hits
Tell me what was it you were trying to say
Too late to listen now

(c) New Model Army 2000

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