Müntefering und der unbeschränkte Mehrheitswillen

Soeben findet die Aussprache zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers statt. Vor einigen Minuten hat SPD-Obergenosse Franz Müntefering seine Rede gehalten. Er griff einen Zeitungsartikel auf, in dem Angela Merkel den Geist der Freiheit im Werk Friedrich August von Hayeks lobt.

Müntefering, der stramme und im Herzen nach wie vor in erster Linie anderen Werten als der Freiheit den Vorzug gebende Sozialdemokrat, zitierte dabei F. A. Hayek:

"...so muß ich offen zugeben, daß ich, wenn Demokratie heißen soll: Herrschaft des unbeschränkten Willens der Mehrheit, kein Demokrat bin und eine solche Regierung sogar für schädlich und auf die Dauer für funktionsunfähig halte."

Dabei deutete er an, Merkel distanziere sich von der Demokratie, wenn sie sich an Hayeks Ideen orientiere.

Ach ja, Münte! Weil die rot-grüne Bundesregierung den unbeschränkten Willen der Mehrheit so schätzt, schlägt sie wohl auch ein so umfangreiches Antidiskriminierungsgesetz vor, das eine Mehrheit ablehnt. Ok, es ist in erster Linie ein Machwerk der Grünen und wurde gerade teilweise eingestampft. Aber wer derlei Dinge für nötig erachtet, misstraut offenbar zuweilen der Mehrheit. Ähnlich verhält es sich bei der Frage einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung, nicht wahr, liebe grüne Musterdemokraten?

Es ist völlig richtig, dass Mehrheiten nicht immer richtig liegen und dass Minderheiten auch eines gewissen Schutzes bedürfen. Hayeks freiheitliche Ideen verweisen auf die Gefahr, jeden Lebensbereich zu demokratisieren, vor allem im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung der Individuen. Staatliche Intervention soll maßvoll erfolgen, Gestaltungspotenzial an die Gesellschaft delegiert werden. Rot-Grün will die "gute Gesinnung" verordnen. Das hat wenig mit Freiheit zu tun. Es erzielt nicht mal die Wirkung in den Köpfen der Mehrheit, zumindest nicht die gewünschte. Und wenn SPD und Bündnis '90/Die Grünen dies eines Tages betroffen feststellen sollten, wird ihnen bestimmt wieder ein neues Gesetz einfallen, um die Gesellschaft zu therapieren. Wir sollten verhindern, dass man uns weiter derlei bittere Pillen kredenzt!
Bornheimer - 17. Mär, 21:50

Freiheit meint nicht immer die Möglichkeit der Umsetzung des schrankenlosen Eigennutzes des Mächtigsten.

Auch wenn "Liberale" das gerne in ihrem politischen Handeln gleichsetzen.

Wobei ich persönlich wenigstens insofern zustimmen kann, dass ein Sozialdemokrat nicht Hayek zitieren sollte. Denn Hayek hat ein doch etwas arg un-sozialdemokratisches Weltbild.

Was übrigens meiner bescheidenen Meinung nach weniger gegen waschechte Sozialdemokraten spricht, dafür aber um so mehr gegen Leute wie Hayek und seine geistigen Nachfolger...

PS: Ein gewisser "grüner Musterdemokrat" findet es langsam irgendwie immer weniger gewissensbelastend, dass er nicht "Vernunft-" oder "Gemeinnutzerwägungen" entsprochen hat, mit denen ein gewisser Liberaler argumentativ an seinem Posten in einer Kommission festzukleben versuchte... Denn wenn jener Grüne so liest, was dieser Liberale so schreibt, dann scheint jener Liberale in anderen Fällen einen Dreck auf Vernunft oder Gemeinnutz zu geben und damit ausschließlich seinen Eigennutz argumentativ zu verdecken zu versuchen...

PS2: A propos "Demokratisierung des wirtschaftlichen Bereiches" - du hast immer noch mein Eigentum und ich werde echt langsam stinkesauer, dass ich den Fehler gemacht habe, es zum Zweck der "Vergesellschaftung von Wissen" dir zum vermeintlichen Gebrauch überlassen hatte. Schluck' endlich mal die bittere Pille des Zurückgebens; als Schmuck anderer Leute Bücherregal ist das von mir nämlich nicht gedacht gewesen...

Insatiable - 18. Mär, 14:02

Es geht nicht um den Mächtigsten, sondern um den Einzelnen.

Und die Tatsache, dass Münte Hayek zitiert, ist an sich ja kein Problem, ein Grüner kann auch Goebbels zitieren, wenn er sich dessen Position nicht zueigen macht. Ok, Maxeiner und Miersch dürfen das auch dann nicht, da Greenpeace dies gleich zu einer Verleumdungskampagne gegen sie verwendet, wie ja bereits geschehen.

PS: Im Altruismus des ein oder anderen liegt womöglich auch ein gewisser versteckter Eigensinn. Ja, er kann sogar extrem sinnstiftend sein. Wiederum muss Egoismus nicht bedeuten, dass einem jenseits von life, liberty and estates alles gleichgültig ist. Übrigens hatte ich im letzten Herbst eine Wahl zwischen sicherer Macht und Moral. Auch gewisse Grüne haben da schon lange Ansprüche an mich gestellt bzw. Hoffnungen in mich gesetzt und ich habe diesen entsprochen. Das ungeliebte Großwild sahnt jetzt weiter ab und ich bin raus. Ich will gar nicht klagen, obgleich ich diesen durchaus hohen Preis verdammt ungern zahle. Aber jene, deren Erwartungen ich entsprochen habe, sollten dann wenigstens davon Abstand nehmen, mir zum Dank in den Arsch zu treten.

PS2: Mein Angebot (geselliges Beisammensein und bei der Gelegenheit Rückgabe des kostbaren Werkes) steht nach wie vor, ich warte ja seit Wochen einfach nur auf einen Terminvorschlag. Womöglich habe ich das nicht klar genug kommuniziert. Du musst Dir im Kalender keinen Tag aussuchen, an dem Du vielleicht mal nicht brummelig bist. Wir können jederzeit einen trinken gehen, ich kann mittlerweile auch den brummeligen Bornheimer ertragen. ;-)

PS3: Ohnehin gibt es viel zu erzählen und das wäre ein weiterer Grund, mal wieder was zusammen zu unternehmen (jenseits der HoPo).

PS4: Dummerweise fahre ich wohl Sonntag in Urlaub, aber vielleicht hast Du ja morgen am frühen Abend Zeit?
DeeJay - 22. Mär, 23:13

komische Wahrnehmung

"Freiheit meint nicht immer die Möglichkeit der Umsetzung des schrankenlosen Eigennutzes des Mächtigsten.
Auch wenn "Liberale" das gerne in ihrem politischen Handeln gleichsetzen."


Was heißt "nicht immer"? Nur dann nicht, wenn es den Linken nicht passt? Freiheit im Sinne des echten, politischen Liberalismus meint NIE den "schrankenlosen Eigennutz des Mächtigsten". Das verwechselst du mit Diktatoren. Selbst die Libertären wollen die Schrankenlosigkeit zur Umsetzung des Willen des STÄRKEREN, nicht des MÄCHTIGSTEN. Was ein Unterschied sein kann, frag mal die Jungs von 1789 ;-)

Und die Liberalen, die das in ihrem politischen Handeln so gleichsetzen, wie du das behauptest, müsstest du mir mal zeigen. Ich kenne nämlich zumindest in Deutschland nur Liberale, die im Parlament für liberale Gesetze kämpfen. Und ein Gesetz ist per se eine Schranke. Denn ein Gesetz, dass da lautet: "Es gibt keine Schranken für dies oder jenes" - also schrankenlos wäre - wäre ein denkbar unnützes Gesetz, oder?

Lenken wir also den Blick eher auf das, worauf es ankommt, mal ab von dieser Stammtisch Rethorik, die reflexartig auf alles darnieder prasselt, das als liberal erkannt wurde.

Es geht darum: WO setzen wir die Schranken an, und WIE setzen wir die Schranken an, nicht um "schrankenlos" oder nicht. Diese pauschale und grobschlächtige Verkürzung nutzt vielleicht den rot-grünen Populisten, aber nicht der Auklärung zur Sache!

Und diese Diskussion, wo eine Schranke sinnvoll und freiheitsFÖRDERND wirkt, und wo sie erziehend, behindernd und vor allem NICHT freiheits-fördernd wirkt, diese Diskussion nehme ich gerne mit den Grünen und dem Münte auf. Auch und ganz Besonders mit Bezug auf ganz konkrete "Schranken" (=Gesetze), wie zB dem Gesetz zur Abschaffung des Bankgeheimnisses, den Otto-katalogen, dem Anti-Diskriminierungsgesetz, dem Gentechnik-Gesetz, usw. usw. usw.

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